EZB-Vorschau: Sell The Rumor, Buy EUR/USD? 5 Szenarien für Draghis Auftritt


  • Die EZB erwartet eine Verschlechterung der Inflationserwartungen und schwächere Wachstumsprognosen.
  • Die Notenbank wird die Geldpolitik lockern - aber der Zeitpunkt und die Art sind unbekannt.
  • Eine hohe Unsicherheit vor der Sitzung dürfte Kursbewegung beim EUR/USD auslösen

Die Märkte haben das Vertrauen in die Fähigkeit der Europäischen Zentralbank verloren, bei weltweitem Gegenwind das Inflationsziel von 2% zu erreichen - aber die Notenbank ist nicht bereit, das zuzulassen. Präsident Mario Draghi - der seine Amtszeit im November beendet - hat bereits im Juni in Sintra, Portugal, einen bevorstehenden monetären Stimulus angekündigt. Darüber hinaus haben die jüngsten Protokolle der EZB-Sitzung auch die gleiche Botschaft ausgesendet.

Wie wir diesen Punkt erreicht haben

Die Differenz zwischen nominalen und inflationsbereinigten Anleihen, dem so genannten 5Y/5Y-Swap, hat sich von knapp 2% auf rund 1,3% verschlechtert. Diese Kennzahl wurde von Draghi mehrmals hervorgehoben. 

Warum sinken die Inflationserwartungen? Die Gesamtinflation in der Eurozone ist im Juni von rund 2% auf 1,3% gesunken. Während die Bewegung mit den Ölpreisen zusammenhängen könnte, sind auch die Kernpreise festgefahren  und liegen bei 1,1%.

Die Aussichten auf eine niedrigere Inflation sind auch auf ein schwaches Wachstum zurückzuführen, das sich im ersten Quartal 2019 gegenüber dem Vorquartal kaum auf 0,4% erhöht hat.

Noch wichtiger ist, dass die Aussichten für das zukünftige Wachstum gesunken sind. Der zukunftsweisende Einkaufsmanagerindex (PMI) von Markit für das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland, der als Europas Lokomotive gilt, hat seinen Einbruch verstärkt. Der vorläufige Indexstand vom Juli von 43,1 Punkten spiegelte eine deutliche Rezession in diesem Sektor wider. 

Warum ist das Wachstum gesunken? Die Liste der Schuldigen ist lang. Der anhaltende US-Sino-Handelskrieg, die Zurückhaltung Deutschlands bei der Lockerung der straffen Finanzpolitik, politische Spannungen, Brexit und andere Faktoren trüben den Himmel zunehmend.

Darüber hinaus wird die EZB auch deshalb handeln, weil sich andere Zentralbanken bewegen. Die Federal Reserve wird die Zinsen nächste Woche - zum ersten Mal seit der Finanzkrise - senken, und andere Notenbanken haben entweder ihre Absicht, die Zinsen zu erhöhen, aufgegeben oder ganz über Bord geworfen. Wenn die EZB nicht handelt, dann dürfte der Euro aufwerten und damit die Inflation weiter senken und die Exporte belasten.

Marktpositionierung

Die Gemeinschaftswährung hat bereits an Boden verloren, da die Aussicht auf eine Zinssenkung oder gar eine Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms besteht. Der jüngste Kurssturz hat aber bereits einiges vorweggenommen. Der EUR/USD notiert in der Nähe des Jahrestiefs von 1,1107 Dollar  hat gegenüber dem britischen Pfund, das auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen ist, zu kämpfen.

Die Analysten sind gespalten, was ihre Einschätzung zur anstehenden Zinsentscheidung des Frankfurter Instituts betrifft. Einige erwarten, dass Draghi signalisiert, dass die EZB im September - wenn neue makroökonomische Prognosen vorliegen - Maßnahmen ergreifen wird, während andere unmittelbare Maßnahmen prognostizieren.

Und welche Maßnahmen wird die EZB ergreifen? Einige erwarten eine Senkung des Einlagesatzes um 10 Basispunkte auf -0,40%, während andere einen Schritt um 20 Basispunkte sehen. Negative Zinssätze beeinträchtigen die Rentabilität der Geschäftsbanken, und die EZB kann beschließen, einige Banken von den "Strafsätzen" auszunehmen - ein Prozess, der als Tiering, auch Staffelung, bezeichnet wird.

Außerdem hat die Bank ihr umfassendes Quantitative Easing-Programm Ende 2018 beendet, und einige erwarten, dass sie das Programm neuauflegt. Die Chancen auf sofortiges Handeln sind gering. Wenn sich die EZB für frisches Geld entscheidet, kann sie ihre selbst gesetzten Grenzen für dieses Anleihenkaufprogramm lockern, um einen bedeutenderen Effekt zu erzielen.

Was wird Draghi also tun und wie wird der EUR/USD reagieren? Hier sind fünf Szenarien:

1) Keine Zinssenkung - EUR/USD steigt

Wenn der EZB-Rat bis zum Ende des Sommers auf seine neuen Prognosen wartet, könnte er sich mit vorab angekündigten Schritten zufrieden geben. Draghi kann sagen, dass die EZB die Zinsen senken und andere Schritte in Betracht ziehen wird.

Auch wenn der Ton dovisher ist, könnte der EUR/USD steigen, da die Märkte bereits eine erhebliche Chance auf einen unmittelbaren Zinsschritt einpreisen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering.

2) Zinssenkung + Staffelung - EUR/USD könnte eventuell steigen

Angesichts der jüngsten schwachen PMI und der bevorstehenden Fed-Zinssenkung nächste Woche könnte die Zentralbank morgen handeln. Um die Falken innerhalb des Rates - insbesondere deutsche und andere nordeuropäische Mitglieder - zu beruhigen, kann die EZB jedoch ein Staffelmodell für einige Banken anbieten.

In diesem Szenario könnte sich der EUR/USD zunächst volatil seitwärts Bewegung und sich vielleicht dann nach oben bewegen. Eine solche Lösung mag nur vorübergehend ausreichen, um den Euro zu bremsen, kann aber dennoch enttäuschend sein. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch.

3) Zinssenkung + Signal für weitere Schritte - EUR/USD dürfte leicht nach unten driften

Die jüngsten Daten und EZB-Meldungen deuten darauf hin, dass es dringend geboten ist, bereits jetzt zu handeln, bevor neue Prognosen veröffentlicht werden. Draghi kann eine Zinssenkung ankündigen und sagen, dass die Bank bereit ist, die Zinsen noch weiter zu senken. 

Diese Option ist nur teilweise eingepreist, und der EUR/USD könnte als Reaktion darauf fallen. Angesichts der jüngsten geringen Volatilität und der Fed-Entscheidung in der kommenden Woche könnte sich der EUR/USD jedoch vom Tiefststand 2019 von 1,1107 Dollar erholen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering.

Eine Schock-Zinssenkung in Höhe von 20 Basispunkten mag einen bedeutenderen Effekt haben, aber die Chancen dafür sind gering.

4) Zinssenkung + mögliche Neuauflage des QE - EUR/USD fällt

Wenn Draghi und seine dovishen Kollegen die Falken von der Dringlichkeit des Handelns überzeugen, kann die EZB eine klare Botschaft übermitteln, dass ein neues Anleihenkaufsprogramm in Betracht gezogen wird, wenn sich die Aussichten nicht verbessern. 

In diesem Szenario könnte der EUR/USD fallen und auch das Tief von 2019 unterschreiten. Dennoch könnte die bevorstehende Ankündigung der Fed verhindern, dass er völlig in die Tiefe stürzt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering.

5) Zinssenkung + Neuauflage des QE - EUR/USD kollabiert

Draghi wird zugeschrieben, dass er den Euro im Sommer 2012 gerettet hat, indem er sich verpflichtet hat, "alles zu tun, was nötig ist", um den Euro zu erhalten. Dies ist jedoch vielleicht nicht sein Vermächtnis, wenn die Deflation kurz nach seiner Pensionierung einsetzt und die Eurozone in eine weitere Rezession eintritt. Er kann - inmitten heftiger Widerstände - einen mutigen Vorstoß machen, um jegliche Munition zu benutzen und sowohl eine Zinssenkung als auch eine QE anzukündigen. 

Die Wahrscheinlichkeit eines solchen mutigen Zuges ist sehr gering, aber Draghi hat die Märkte in der Vergangenheit schon des öfteren geschockt. In diesem Szenario könnte EUR/USD unabhängig von den Erwartungen an die Entscheidung der Fed unter 1,10 Dollar fallen.

Fazit

Die EZB wird angesichts sinkender Inflationserwartungen und schwacher Wachstumsaussichten neue Impulse ankündigen. Die Märkte sind unsicher über den Zeitpunkt und die Art des neuen Konjunkturpakets, was eine deutliche Preisreaktion in Aussicht stellt.

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