Vor zwei Monaten betrug das Minus im Deutschen Aktienindex auf Jahressicht noch 25 Prozent. Jetzt ist es auf acht Prozent zusammengeschmolzen. An der Börse hat sich wieder einmal eine Minderheit gegen die Mehrheit der Schwarzmaler durchgesetzt. Die Entwicklung ähnelt damit dem Verlauf des Aktienmarktes im Jahr 2020. Wirtschaftlich äußerst düstere Zukunftsszenarien inmitten der Coronapandemie wurden überlagert von der Aussicht auf das billige Geld der Zentralbanken. Die Indizes erreichten neue historische Höchststände. Nun wittert der Markt offenbar eine Wiederholung der Geschichte. Wie schon vor zwei Jahren sehen die Aktienkäufer Probleme nicht als Hindernisse, sondern als Herausforderung an und erwarten Anpassungseffekte der Wirtschaft an die neue Situation.
Die zehnjährigen Zinsen in Deutschland haben gestern eine charttechnische Trendwendeformation ausgebildet. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Hochpunkt gesehen haben. Auch in den USA sind solche Trendwendeformationen bei den Zinsen zu beobachten. Der Markt bereitet sich auf eine Kehrtwende in der Geldpolitik vor, weg von aggressivem Gegensteuern gegen die Inflation hin zu einer abwartenden Haltung, in der es nur noch wenige, kleinere Zinsanhebungen geben wird.
Fundamental deutet sich nicht nur ein Höhepunkt bei der Inflation an, auch das Wachstum der deutschen Wirtschaft wird vermutlich nicht so tief einbrechen wie zunächst befürchtet. Zumindest deuten darauf der besser als erwartete Ifo-Index als auch die Einkaufsmanagerindizes hin. Trotz der positiven Überraschung bei den Wirtschaftsdaten dürfte sich das Wachstum in den Wintermonaten kräftig abschwächen. Das allerdings könnte auch die Europäische Zentralbank dazu bewegen, bei künftigen Zinsschritten bedachter vorzugehen, womit der geldpolitischen Hoffnung dann die entsprechenden Fakten folgen könnten.
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