Am US-Anleihemarkt spiegelt sich die Zuversicht der Investoren wider, dass die kommenden Zinssenkungen der Federal Reserve die nötige Kraft entfalten und eine konjunkturelle Erholung in der zweiten Jahreshälfte möglich machen. Der Renditeabstand zwischen zehn- und zweijährigen US-Staatsanleihen hat sich seit Mitte vergangener Woche schon wieder verdoppelt und damit weiter von der gefährlichen Nulllinie entfernt. Das Thema Rezession ist damit aus den Schlagzeilen vorerst verschwunden.
Heute nun gilt alle Aufmerksamkeit der Börse dem scheidenden Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. In einem seiner letzten öffentlichen Auftritte wird er vermutlich auf die Abwärtsrisiken im Wachstum der Eurozone gepaart mit nachlassenden Inflationserwartungen verweisen und damit in den Kanon anderer Zentralbanken aus Australien, Südkorea, Indien und den USA einstimmen. Alles andere wäre eine Überraschung.
Aber so viel kann die EZB im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen nicht mehr tun. Die Zinsen in der Eurozone sind immer noch bei null. Die EZB hatte aufgrund fehlender wirtschaftspolitischer Impulse kein Zeitfenster wie die Fed, ihre Zinsen anzuheben. Also müsste sie tief in den negativen Bereich vordringen oder sich andere, kreative Methoden der Stabilisierung der Märkte ausdenken. Eine Idee wäre der direkte Kauf von ETFs oder Aktien, wie es seit geraumer Zeit auch die japanische Notenbank tut.
Das wäre dann das beste Szenario für Aktien, da plötzlich ein Nachfrager auftauchen würde, den es bislang nur am Anleihemarkt gegeben hat. Man sieht angesichts des absoluten Zinstiefs bei deutschen Staatsanleihen, wohin so ein potenter Käufer die Märkte führen kann. Aber angesichts der Tatsache, dass Draghi dem Ende seiner Amtszeit näher kommt, kann es auch gut sein, dass er sich nicht mehr zu großen Schritten hinreißen lässt. Und noch weiß man weder wer sein Nachfolger wird noch ob dieser in Draghis Fußstapfen treten wird. Damit dürfte der Wunsch der Anleger nach einem Land, in dem Milch und Honig in Form von überbordender Liquidität fließen, noch eine Weile auf seine Erfüllung warten.
Technisch scheint die Marke von 12.026 Punkten im DAX zunächst als Widerstand akzeptiert zu werden, was auf der anderen Seite einen Test von 11.835 Zählern heute theoretisch ermöglichen würde.
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